Kunsthändler der Avantgarde
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Konzept

15 Museen zeigen bis März 2014 in Ausstellungen und auf der Website www.alfredflechtheim.com Kunstwerke, die durch ihre Provenienz (= Herkunft) in Verbindung mit den Galerien von Alfred Flechtheim stehen. Die gezeigten Werke sind über verschiedene Wege in die jeweiligen Sammlungen gelangt: einen Teil erwarben die Museen direkt bei Alfred Flechtheim, sei es als Ankauf, Geschenk oder durch seine Vermittlung. Weitere Werke wurden von ihm an Dritte verkauft und gelangten über mehrere Zwischenstationen – meist nach 1945 – in die Museen.

Der Galerist Alfred Flechtheim (1878–1937) gehört zu den bedeutenden Protagonisten der Kunstszene im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Sein Einsatz für den rheinischen Expressionismus, die französische Avantgarde und die deutsche Moderne, die Förderung von Künstlerpersönlichkeiten wie Max Beckmann, George Grosz und Paul Klee haben ihn bereits zu Lebzeiten international bekannt gemacht. Doch die Herrschaft des Nationalsozialismus verändert sein und das Leben seiner Familie drastisch: Im Oktober 1933 muss Flechtheim Deutschland verlassen, als Kunsthändler jüdischer Herkunft wird er öffentlich diffamiert, seine Galerien in Düsseldorf und Berlin werden bis 1935 liquidiert oder von früheren Partnern fortgeführt, noch vorhandenen Kunstbesitz transferiert er ins Ausland, vor allem nach London. Dort stirbt er 1937 im Alter von nur 59 Jahren an den Folgen eines Unfalls. Seine Ehefrau Betty nimmt sich 1941 angesichts ihrer bevorstehenden Deportation das Leben. Die in ihrer Berliner Wohnung verbliebenen Kunstwerke werden beschlagnahmt und gelten als verschollen.

 

Seit 2009 vermuten die Erben nach Alfred Flechtheim bei zahlreichen Werken mit der Provenienz Flechtheim in Sammlungen von Museen im In- und Ausland einen verfolgungsbedingten Verlust. 2012 und 2013 kam es zu ersten Entschädigungen bzw. Restitutionen an die Erben nach Alfred Flechtheim (Bonn, Köln). Die ProvenienzforscherInnen der Museen versuchen seitdem gemeinsam und auf Grundlage der sogenannten Handreichung zur Umsetzung der 1999 unterzeichneten „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“, vorliegende Erkenntnisse zu vertiefen und offene Fragen zu beantworten. Diese Recherchen waren der  Ausgangspunkt für das Projekt, das Alfred Flechtheims außergewöhnliches Wirken als Händler der vom Nationalsozialismus diffamierten Künstler, den abrupten Bruch in der Biografie, seine damit verbundenen Verlusterfahrungen und das tragische Schicksal seiner Familie würdigt.

Nicht immer lassen sich Provenienzen von Kunstwerken vollständig dokumentieren, weil durch Verfolgung, Krieg, Flucht und Emigration wichtige Unterlagen verloren gingen oder zum Schutz der Privatsphäre nicht zugänglich sind. Flechtheims Geschäftsunterlagen in der Mayor Gallery vernichtete der von der Deutschen Luftwaffe geflogene „London Blitz“ im September 1940, Bomben der Royal Air Force zerstörten die Düsseldorfer Galerie 1943 und  von der Berliner Galerie sind keine Geschäftsunterlagen überliefert. So sind 76 Jahre nach Alfred Flechtheims Tod und trotz mehrjähriger Forschung im internationalen Verbund nicht alle Wege seiner Kunstwerke restlos geklärt.

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