Kunsthändler der Avantgarde
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Methodik

Die Perspektiven und auch die Erwartungen bezüglich der Provenienzforschung sind unterschiedlich. Die Provenienzforschung am Museum untersucht die Werke, die es sein Eigen nennt. Sie legt traditionell Wert auf die Gesamtgeschichte des Kulturgegenstandes. Auch die universitäre Forschung betreibt Provenienzforschung häufig fokussiert auf rezeptionshistorische Aspekte. Diejenigen, die ein vermisstes Kunstwerk suchen und dieses zurück erlangen möchten, versuchen mittels dieser Forschung herauszufinden, wo es sich heute befindet und wie es an den ursprünglichen Ort zurückkehren kann. Jeweils muss auch methodisch ein anderer Weg beschritten werden. So verfügt z. B. das Museum, welches die Herkunft eines Kunstwerkes der Sammlung erforschen will, über eine wichtige Quelle, nämlich das Kunstwerk selbst. Oftmals finden sich auf dem Werk, u.a. auf der Rückseite, wichtige Hinweise, die erste Anhaltspunkte für die weitere Forschung liefern. Diese Information liegt denjenigen Personen, die dieses Werk suchen, nicht vor. Diese jedoch haben eine umfassendere Kenntnis und vermutlich auch Quellen über die Sammlung, in die dieses Werk ehemals gehörte, die wiederum dem Museum nicht bekannt sein können oder müssen. Der Forscher, der sich vornehmlich für die Rezeption des Kunstwerkes interessiert, wird sich für diese Informationen vermutlich weniger interessieren. Für ihn sind vielmehr Äußerungen über dieses Werk von Relevanz, die er aus wieder ganz anderen Quellen und Literaturen entnehmen muss. Um aber festzustellen, ob es sich um ein originäres Werk handelt oder um eine Fälschung, ist es ratsam, möglichst vielen Ansätzen zu folgen, um über diese geschilderten Wege Fakten oder auch maßgeblich Indizien für eine Echtheitsbestätigung zu erlangen.

David Murray und Willibald Sauerländer zum Begriff „Provenienzforschung“ bzw. zum Wortfeld

“The full and systematic labelling of specimens is a matter which has of late received much attention and is carefully carried out in the best museums. The provenance of the object is not however, always recorded upon the ticket, which in many cases is a serious omission. As a rule it is of importance that the exact locality from which each specimen has been obtained should be recorded, and also in many cases the geological position of the spot. If it came from any particular collection this should be specified. This does not apply to archaeological objects alone; it is equally necessary as respects zoological, geological and other similar specimens. The date of finding or of acquisition is often likewise of importance. All these particulars and various others, such as the name and address of the donor, or of the vendor, should be recorded in the accession register, so that as far as possible the history of each specimen may be traced. The price paid should be recorded in the case of purchases. Every entry should be drafted and revised before being inserted in the register, and every ticket should be checked with the register before being issued.”

David Murray: Museums. Their History and their Use, Bd. 1.,Glasgow 1904, S. 264f.

“Die Notwendigkeit der Ortssicherung ergibt sich vor allem aus der Geschichte, die Kunstwerken nach und seit ihrer Entstehung widerfahren ist. Kunstwerke, ob bewegliche oder ortsgebundene Gegenstände, sie waren immer von Siegern, von Fürsten, von kaufkräftigen Interessenten begehrt. […] So setzt sich der Kunstbesitz, der heute in den Museen der Alten und Neuen Welt bewahrt wird, aus lauter expropriierten und von ihrem ursprünglichen Bestimmungsort entfernten, dislozierten Gegenständen zusammen. Der Wechsel der Besitzverhältnisse ist dabei meist nicht nur ein einziges Mal erfolgt. Ein Gemälde mag im 17. Jahrhundert in Italien in die Hand eines Agenten geraten sein, wanderte von dort in den Kunsthandel im Norden, war wieder im nordamerikanischen Kunsthandel aufzutauchen und schließlich in einem der großen Museen in New York oder Washington eine vermutlich endgültige Heimstatt zu finden. Nicht immer ist nach einer solchen Odyssee seine Spur bis zum Ursprungsort zurückzuverfolgen. Man muß Auktionskataloge, Inventare, Besitzerarchive durchsehen, um diese Wanderungen zu rekonstruieren, das Pedigree des Bildes zu erstellen, wie es in der Fachsprache heißt. Immer droht dabei die Gefahr der Verwechslung. Es gibt manchmal unter einem Künstlernamen mehr als eine Madonna, mehrere Bilder, die das Urteil des Paris darstellen, von Landschaften, Stilleben und Konversationsstücken ganz zu schweigen. Die Identifizierung mit dem Eintrag in einem alten Inventar ist dann nur mit Fragezeichen möglich. Hinzu kommt, daß Interessenten die Spuren absichtlich verwischt haben mögen. Die Provenienz illegal exportierter, gar gestohlener, bei Raubgrabungen gefundener Kunstwerke wird gerne im Dunkeln gehalten. So ist die Ortssicherung der Versuch einer wissenschaftlichen Patriierung. […] Es leuchtet wohl sofort ein, dass auch die beste Kunstkennerschaft für die Beantwortung der Frage nach der Provenienz ohne Bedeutung ist. Niemand kann sehen, dass das Große Jüngste Gericht von Rubens in der Alten Pinakothek in München vom Hochaltar der Jesuitenkirche in Neuburg an der Donau stammt oder daß die Madonna della Vittoria von Mantegna im Louvre in Paris aus einer bestimmten Kapelle in Mantua kommt. Das kann man nur wissen und dieses Wissen kann nur der schriftlichen Überlieferung in den Archiven, den Inventaren, den Auktionskatalogen, der Reiseliteratur und den Ortsbeschreibungen, gelegentlich auch einer alten Abbildung entnommen werden. Die Museen sind voll von Bildern, deren ursprünglicher Standort unbekannt ist und hier wartet auf die Forschung noch eine riesige, auch für die spätere Deutung fundamentale Aufgabe.“

Willibald Sauerländer: Alterssicherung, Ortssicherung und Individualsicherung, in: Kunstgeschichte. Eine Einführung, hg. v. Hans Belting/Heinrich Dilly/Wolfgang Kemp/Willibald Sauerländer/Martin Warnke, Berlin 1986, S. 116-144, hier S. 127-132.

 

 

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