Kunsthändler der Avantgarde
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Lob und Kontroversen vor 1933

Den Zenit seiner Karriere erreichte der geistreiche, unermüdliche und immer im Vordergrund stehende Alfred Flechtheim, der seit 1913 kunsthändlerisch tätig war, 1928 zu seinem 50. Geburtstag. In der limitierten Sonderausgabe seiner Galeriepublikation mit dem Titel Querschnitt durch Alfred Flechtheim würdigten ihn Zeitgenossen für seine vielfältigen Verdienste: für seinen Einsatz und seine Vermittlung zeitgenössischer Kunst, für seine einmaligen Verlegerfähigkeiten, für seine Geradlinigkeit und für gesellschaftliche Highlights ganz allgemein. Selbstredend kann man in dieser Huldigung von 1928 nur Lob finden, teilweise sehr humoristisches oder auch karikierendes.

Alfred Flechtheim war der finanzielle Erfolg vermutlich zweitrangig, sein Talent lag nach Aussagen von Zeitzeugen nicht im Geschäftlichen. Zu sehr liebte er die Kunst und die Künstler. Insofern war es in den ökonomisch schwierigen 1920er Jahren und insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 alles andere als einfach, von der zeitgenössischen Kunst zu leben. Flechtheims Versuche, sich Anfang der 1930er Jahre auch im Ausland niederzulassen und sein Galerieprogramm neu auszurichten, scheiterten. Inzwischen gab es in Berlin mit den Kunsthandlungen von Cassirer und Thannhauser große Konkurrenten mit arriviertem Programm und fester Stammkundschaft.

Die Sammlerin Thea Sternheim lernte Flechtheim 1906 kennen, als er noch im Getreidehandel tätig war. Gemeinsam mit Paul Cassirer überzeugten sie Flechtheim, vom Kunstsammler zum Kunsthändler zu werden. Kontoversen entstanden jedoch um 1910, da der sich für die junge französische Kunst einsetzende Flechtheim wie andere Galeristen und Museumsdirektoren auch von deutschen Künstlern, insbesondere Carl Vinnen, angegriffen wurde. Dieser Protest deutscher Künstler gipfelte im sogenannten Bremer Künstlerstreit von 1911 - konkreter Auslöser war der Erwerb eines Gemäldes Van Goghs durch die Bremer Kunsthalle.

1923 reflektierte Flechtheim selbst seine ersten zehn Jahre als Kunsthändler und zeichnete fünf Stationen auf dem Wege zum Erfolg auf. Deutlich schildert er seinen Beginn mit den französischen Impressionisten und den Neubeginn nach dem Ersten Weltkrieg mit den Brücke- und Sturm-Künstlern, den Expressionisten und der jungen Rheinländischen Kunst - französische Kunst konnte man in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht verkaufen. Seine später erneut entbrannte Leidenschaft für die Franzosen zog ihn dann als Kunsthändler nach Berlin.

Im Gespräch mit dem Kunstkritiker, Kunstsammler und Verleger Christian Zervos (1889-1970) wurde 1927 die Bedeutung Flechtheims auch für die Pariser Kunstwelt herausgestrichen. Das Porträt zeigte auf, welche Bedeutung ihm auf dem Höhepunkt seiner Karriere zugeschrieben wurde und welche Persönlichkeit er war: Fébrile, vif, joyeux, désespéré, sensuel, calculateur, injuste, enthousiaste, Flechtheim est tout cela à la fois.

Flechtheim war "Alfred, l'International". Zeitgenossen wie Alex Vömel nannten ihn die "Zentrale der modernen Kunst", Gott und die Welt kannte "Flechtheim", dieser Name war ein Begriff. Wenn einem so viel Lob ausgeschüttet wird, wenn jemand derart bekannt ist und eine derart klare Linie lebte, war er auch Kritik ausgesetzt. 1921 schrieben die Mitglieder der Künstlervereinigung Junges Rheinland einen offenen Brief an Flechtheim, der mit dem Satz "O flechtheim - sch´lamassel" begann und mit "Alfred nebbich" unterzeichnet war. Ganz offensichtlich ging es hier um Alfred Flechtheim als Kunsthändler jüdischer Herkunft, worauf dieser mit einer Privatklage drohte. Schliesslich war Flechtheim auch eitel, selber schrieb er: "Das einzige Unglück ist, dass es in Deutschland nicht noch viel mehr Kunsthändler gibt wie mich, dass in der prominenten Bellevue-, Viktoria- und Tiergartenstrasse nur mit alten Meistern, französischen Impressionisten, chinesischen Grabfiguren und signierten Kommoden gehandelt wird."

Flechtheim polarisierte, nicht nur was die Kunst, sondern auch was sein Verhalten gegenüber den Künstlern betraf. George Grosz, dessen Korrespondenzen wie die Tagebücher von Thea Sternheim zu den wichtigen historischen Quellen zu Flechtheim zählen, schrieb ihm eine "große Schnauze" und einen rüden Umgangston zu, den er in der Emigration durchaus vermisste. Kurz vor Flechtheims Tod charakterisierte er ihn als: "Ein Typ, wenn auch ein sehr zweideutiger, war er gewiss." Tatsächlich hatten Flechtheims Freundschaften mit den Künstlern über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte hinaus, Bestand.

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