Handel in der Emigration
Flechtheim musste Deutschland im Oktober 1933 verlassen und kam über die Schweiz nach Paris, wo ihn sein Freund und Geschäftspartner Daniel-Henry Kahnweiler unterstützte. Kahnweiler war es schließlich auch, der Flechtheims Bemühungen, in London Fuß zu fassen, ganz wesentlich begleitete. Zuvor hatte Flechtheim in Vorbereitung seiner Emigration verschiedene Werke in die Schweiz verlagert und auch seine Möglichkeiten ausgelotet, dort tätig zu werden. So hatte Flechtheims eigenen Aussagen zufolge der befreundete Kunsthändler Bernoulli in Basel ihm ein „Lädchen überm Geschäft“ zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hatte er eine Reihe von Leihgaben französischer Kunst (Juan Gris und Fernand Léger, Kunsthaus Zürich, Frühjahr 1933) in die Schweiz übersandt und dort vorübergehend gelagert. Als die Einstellung des Galeriebetriebes in Deutschland unausweichlich wurde, hatte Kahnweiler die Werke aus seinen Kommissionen zurückgefordert. Die Klärung dieser Angelegenheit zog sich schließlich über mehrere Jahre hin. Mit Alex Vömel in Düsseldorf gelang Kahnweiler recht bald eine Einigung, doch die aus Berlin abgegangenen Werke waren zum Teil nicht mehr auffindbar, so dass Flechtheim Kunstwerke aus seinem Besitz als Ersatz anbot. Andere Teile seines Galeriebestandes als auch seiner Kommissionsware gelangten durch die weiterhin funktionierenden Handelsbeziehungen nach Frankreich und England.
Nachdem ein für Paul Rosenberg geplantes großes Ausstellungsprojekt in New York scheiterte, versuchte Alfred Flechtheim von London aus zunächst für Kahnweiler bzw. dessen Galerie Simon (Paris) und für die Mayor Gallery (London) tätig zu werden. Flechtheim konnte und musste zwischen 1933 und 1936 nach Deutschland ein- und ausreisen, damit er die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verlor, was möglicherweise belegt, dass er als Auslandsdeutscher und Devisenbringer für das Deutsche Reich geduldet wurde. Allerdings gibt es dazu keine schriftliche Überlieferung außer die der Zeitzeugin Thea Sternheim, die dies thematisierte. Obwohl er in England weder eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung noch eine Arbeitserlaubnis hatte und formal als Repräsentant der Galerie Simon agierte, gelang Flechtheim in London ein Neubeginn: 1934 zeigte Flechtheim fast 30 Werke von Paul Klee in der Mayor Gallery; 1935 folgte eine Togores- und Léger-Ausstellung in den Leicester Galleries sowie 1936 französische Kunst des 19. Jahrhunderts in den New Burlington Galleries in London. Bei Thos. Agnew & Sons, Ltd. zeigte Flechtheim 1935 und 1936 Ausstellungen zu Auguste Renoir, André Derain, Edgar Degas und Marie Laurencin.
Sein früher und unerwarteter Tod setzten seinen Bemühungen, die Kunst der deutsche und französischen Moderne in London zu etablieren ein jähes Ende. Der von Lord Ivor Churchill verfasster Nachruf in der Times vom 11. März 1937 fasst wie folgt zusammen:
„During the time he spent in London he never complained of the changes in his fortunes, and one of his proudest moments was at the opening of the French Exhibition in Burlington Gardens in 1936, which contained many splendid pictures, never before seen in London, from Continental collections which he had helped to form.“