Max Beckmann
Stillleben mit Fernrohr, 1927
12.02.1884 - 27.12.1950
Provenienz
Atelier Max Beckmann, Frankfurt am Main an Alfred Flechtheim, Berlin
Leihgabe von Alfred Flechtheim, Berlin an Museum der Bildenden Künste, Leipzig
Alfred Flechtheim, Berlin an Museum der Bildenden Künste, Leipzig
als "entartet" beschlagnahmt, (1937-1939)
Deutsches Reich, Berlin an Sofie und Emanuel Fohn, Rom
Sofie und Emanuel Fohn, Bozen, an Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Beschreibung
An einem runden Tisch sitzt eine Frau mit Turban und verdeckt das Gesicht mit einem Fächer. Diverse Blumenvasen und Topfblumen, ein großes Blasinstrument am Boden, ein übergroßes Buch und ein riesiges Fernrohr sind über den Tisch und den Fußboden verteilt und verdecken einen leeren blauen Sessel im Hintergrund. Die rätselhafte Darstellung wirft Fragen zur Identität der Frau und zur Bedeutung der Dinge auf, die der Maler aber nicht auflöst. So bleibt die Darstellung geheimnisvoll und gerade dadurch faszinierend.
Literatur und Quellen
Benno Reifenberg und Wilhelm Hausenstein: Max Beckmann, München 1949, Nr. 243.
Barbara und Erhard Göpel: Max Beckmann. Katalog der Gemälde, 2 Bde., Bern 1976, Nr. 275.
Carla Schulz-Hoffmann: Max Beckmann. Der Maler, München 1991, S. 77 f.
Karlheinz Mehnert, in: Karl Hofer. Tischgesellschaft, Ausst.-Kat. Museum der bildenden Künste Leipzig, Berlin 1992, S. 17 f.
Erläuterungen zu ausgewählten Werken, Mus.-Kat. Staatsgalerie moderner Kunst München, München 1995, S. 46 f.
Max Beckmann und Paris, Ausst.-Kat. The Saint Louis Art Museum, Saint Louis u. a. 1998/99, Abb. 3, S. 190 f.
Reinhard Spieler: Max Beckmann, Der Weg zum Mythos, Köln 2002, S. 88-90.
Wieland Schmied: Die Sehnsucht nach dem Unendlichen. Max Beckmann und Giorgio de Chirico, in: Wieland Schmied, Leidenschaft und kühler Blick. Vergleichende Betrachtungen über die Kunst der Moderne, Köln 2004 S. 301 ff.
Felix Billeter: Max Beckmann in der Pinakothek der Moderne, Ostfildern 2008, S. 130-141.
Andrea Bambi: Ich bin nicht Beckmanns Kunsthändler. Alfred Flechtheim und seine Künstlerverträge, erläutert am Beispiel von Max Beckmann, in: Eva Blimlinger und Monika Mayer (Hg.): Kunst sammeln, Kunst handeln, Wien [u.a.] 2012, S. 167–181.
Malerei, Skulptur, Fotografie, Neue Medien. Mus.-Kat. Pinakothek der Moderne München, München 2002, S. 34 f.
Malerei, Skulptur, Fotografie, Neue Medien. Mus.-Kat. Pinakothek der Moderne München, München 2006, S. 40 f.
Ursula Harter und Stefan von Wiese (Hg.): Max Beckmann und J. B. Neumann. Der Künstler und sein Händler in Briefen und Dokumenten 1917-1950, Köln 2011, S. 228-230.
Quellen
Stadtarchiv Leipzig, Kap. 31, Nr. 51, Bd. 3 Bl. 161,
Museum der bildenden Künste an das Museumsamt, 4.4.1932:
„Seit über einem Jahr befindet sich als Leihgabe aus der Privatsammlung des Herrn Alfred Flechtheim, Berlin, Max Beckmanns große Komposition „Interieur mit Fernrohr“ aus dem Jahr 1927. Dieses bedeutende Werk des Künstlers beherrscht in eindrucksvoller Form den Saal der nachimpressionistischen Künstler und hat, seitdem es sich in unserem Museum als Leihgabe befindet, bei allen Freunden neuer Kunst das allerlebhafteste Interesse gefunden. Herr Flechtheim sieht sich nun gegenwärtig genötigt, dieses Werk verschiedener Umstände halber so rasch wie möglich zu verkaufen und hat mich gebeten bei meiner vorgesetzten Behörde eine Entscheidung über den Ankauf dieses Werks sobald wie möglich herbeizuführen. Was zunächst die künstlerische Bedeutung dieses in Max Beckmanns Schaffen zweifellos einzig dastehenden Werkes anbelangt, so ist zunächst hervorzuheben, daß sich gerade in diesem Werk der Künstler als einer der allerersten Repräsentanten neuer deutscher Malerei und unserer Zeit darstellt. Dieses Bild kennzeichnet nicht nur die völlig neuartige Raumauffassung moderner Malerei, sondern umfaßt in der Konfiguration von menschlicher Gestalt, Stilleben und Innenraum gleichsam alle Seiten des Wesens Beckmann’scher Kunstgesinnung. Max Beckmann ist seit mehreren Jahren fast in sämtlichen großen deutschen Galerien so in Berlin, Frankfurt am Main, Dresden, Mannheim, Halle, Barmen, Bremen, Düsseldorf, Essen, Köln, Stettin, Stuttgart u.a. meist schon mit mehreren neueren Werken [Bl. 161v] vertreten. Er ist übrigens auch der einzige deutsche Künstler unserer Zeit, von dem in vergangenen Jahren für das Luxembourg-Museum in Paris eine seiner charaktervollen neuen Arbeiten erworben worden ist. Selbst amerikanische Sammlungen (wie Detroit) besitzen Werken seiner Hand. Da ferner Max Beckmann sogar gebürtiger Leipziger ist und übrigens von reiner deutscher Abstammung ist, erhebt sich gerade für das Leipziger Museum die Forderung, auch diesen eigenartigen, aber außerordentlich charaktervollen Künstler, der eine ganz bestimmte Seite zeitgenössischer Künstler vertritt, mit einem wesentlichen Werke vertreten zu haben. Da nun die oben erwähnte Komposition „Interieur mit Fernrohr“ sich ganz besonders repräsentativ in die Abteilung unserer neueren Meister einfügt, die leider vor einigen Wochen durch die plötzliche Zurücknahme und Übersiedlung der Sammlung Dr. Karl Lilienfeld nach Amerika stark entblößt worden ist, bitte ich mich zu ermächtigen mit Herrn Flechtheim wegen Ankauf dieses Werkes in Verhandlung zu treten.
Was den Preis anbelangt, so hat Herr Flechtheim zunächst eine Summe von
6000,- M gefordert. Dieser Betrag stellt an und für sich einen wesentlichen niedrigeren Preis dar, als wie er sonst für derartige große Bilder von Beckmann in den letzten Jahren gefordert und auch gezahlt worden ist. Ich habe aber persönlich das Gefühl, daß dieses Werk zu einem noch günstigeren Preis gehalten werden kann und bitte mich zu ermächtigen, evtl. auf der Basis von 4000,- M dieses Werk für die Galerie zu halten.
Mittel für den Ankauf stehen aus den Zinserträgnissen der Fritz-von-Harck-Stiftung zur Verfügung.
[Teupser]“
Museum der bildenden Künste an Museumsamt, vom 7.4.1932:
„Ich habe mit Herrn Flechtheim wegen Ankauf des Beckmann-Bildes verhandelt. Herr Flechtheim hat mir zwar mitgeteilt, daß er gerne für dieses Werk den Preis von 6000,- M erzielen möchte. Ich habe aber nach wie vor persönlich das Gefühl, da Herr Flechtheim dringend Geld braucht, daß vielleicht durch ein festes baldiges Gebot von 4000,- M das Bild gehalten werden kann.
Ich bitte daher durch den Ausschuß den Ankauf des Bildes nunmehr beschließen zu lassen und mich zu ermächtigen, auf das Werk ein festes Gebot von 4000,- M abzugeben. [Teupser]“