Titel: Bildnis Tilla Durieux
Datierung: 1910
Format: 56 cm x 65 cm
Gattung: Malerei
Erwerbungsjahr: 1946
Verbleib: Erben Alfred Flechtheim
Technik: Öl auf Leinwand
Museumsdirektor bei Erwerb: Leopold Reidemeister
Alfred Flechtheim und Oskar Kokoschka
Oskar Kokoschka gehörte als Maler, Grafiker und Schriftsteller zu den wichtigen Wegbereitern des Expressionismus. Von 1904 bis 1909 besuchte er die Kunstgewerbeschule in Wien und nahm - beeinflusst durch Werke von Klimt und van Gogh - um 1905 die Beschäftigung mit der Ölmalerei auf. 1910 rief ihn Herwarth Walden als Mitarbeiter für die Zeitschrift Der Sturm nach Berlin, wo auch Paul Cassirer auf ihn aufmerksam wurde und eine Ausstellung seiner Werke in seinem Kunstsalon arrangierte. In diesen Jahren befasste sich Kokoschka vor allem mit Porträts. Er entwickelte einen psychologisierenden Stil, der jedoch nicht immer das Verständnis der Dargestellten fand. Über Paul Cassirer machte Kokoschka Bekanntschaft mit Alfred Flechtheim und erhielt durch ihn die Möglichkeit, Werke auf der Kölner Sonderbundausstellung 1912 und der Kölner Werkbundausstellung 1914 zu zeigen. Obwohl er nicht zum engeren Kreis der Künstler um Flechtheim gehörte, schätzte dieser ihn und zeigte einzelne Werke später in verschiedenen Gruppenausstellungen. Das 1910 entstandene Porträt der Schauspielerin Tilla Durieux, die wie Flechtheim in der Bleibtreustraße in Berlin residierte, verkaufte Alexander Vömel 1934 an den Sammler Haubrich aus Köln, der es dem Museum Ludwig vermachte. 2013 wurde dieses Werk an die Erben nach Alfred Flechtheim restituiert.
Neben Porträts schuf Kokoschka christlich-religiöse Motive und Landschaften von expressiver Gestaltungskraft. Nach seinem Einsatz und einer schweren Verwundung im Ersten Weltkrieg setzte er seine künstlerische Arbeit fort und übernahm 1919 eine Professur in Dresden, wo er sowohl seinen Malstil als auch die Farbpalette modifizierte. Der Pinselduktus wurde geschmeidiger und die Landschaften und Stadtansichten, die seit 1924 bei zahlreichen Reisen durch Europa, Kleinasien und Nordafrika entstanden, hielten den Eindruck des Flüchtigen, Momentanen fest.
Im Rahmen der Aktion »Entartete Kunst« ließen die Nationalsozialisten zahlreiche Werke von Kokoschka in deutschen Museen beschlagnahmen. Aufgrund dieser Anfeindungen emigrierte der Künstler 1938 nach London und wurde nach Kriegsende britischer Staatsbürger. 1953 zog er nach Villeneuve am Genfer See und schuf neben seinen Gemälden bedeutende Illustrationszyklen. 1980 starb Oskar Kokoschka, in dessen Werk nach Thomas Mann »der Geist Natur und das Wirkliche transparent wird für Geistiges«, in Montreux.
Beschreibung
Im Auftrag des Kunsthändlers Paul Cassirer portraitierte Oskar Kokoscha im Dezember 1910 dessen damalige Verlobte, die bekannte Schauspielerin Tilla Durieaux. Das Ölgemälde wirkt durch einen mageren Farbauftrag leicht und immateriell. Nervöse Ritzungen sowie ein bewegter Farbauftrag verstärken diesen Eindruck und geben dem Bildnis einen unruhigen Charakter. Im Kontrast dazu wirkt die Schauspielerin, die in einem hellen Kleid vor dunklem, erdbraunen Hintergrund dargestellt ist, fordernd und bestimmt. Inwieweit Kokoschka mit diesem „nervenirrsinnigen Portrait“ in seiner für ihn typischen gestalterischen Abstraktion charakteristische Stimmungen der Schauspielerin einfing, muss nicht zuletzt aufgrund des wohl unvollendeten Zustandes des Bildes offenbleiben.
Literatur
Evelyn Weiss: Katalog der Gemälde des 20. Jahrhunderts. Die älteren Generationen bis 1915 im Wallraf-Richartz-Museum – mit Teilen der Sammlung Ludwig – und im Kunstgewerbemuseum (Kataloge des Wallraf-Richartz-Museums, VII), Köln 1974, S. 106f., Abb. 173.
Evelyn Weiss und Gerhard Kolberg (Bearb.): Museum Ludwig Köln. Gemälde, Skulpturen, Environments vom Expressionismus bis zur Gegenwart. Bestandskatalog, München, 2. Aufl., 1986, S. 127.
Johann Winkler und Katharina Erling: Oskar Kokoschka. Die Gemälde 1906-1929, Salzburg 1995, Nr. 54.
Julia Friedrich (Hg.): Meisterwerke der Moderne. Die Sammlung Haubrich im Museum Ludwig, Köln 2012, S. 130-133, 224f.
Kokoschka, Oskar: Bildnis Tilla
Durieux, in: Kulturelles Erbe Köln