Titel: Junge Spanierin/Junges Mädchen/Großstadtmädchen
Datierung: 1927
Format: 65,50 cm x 50,80 cm
Gattung: Malerei
Erwerbungsjahr: 1950
Verbleib: Museum Ludwig, Köln
Technik: Öl auf Leinwand
Museumsdirektor bei Erwerb: Leopold Reidemeister
Alfred Flechtheim und George Grosz
George Grosz
war Zeichner, Maler und Karikaturist. Zunächst beeinflusst von Futurismus und
Dadaismus, prägte der Künstler in seinem gegenständlichen Stil die Malerei der
Neuen Sachlichkeit. Von 1909 bis 1911 studierte Grosz bei Richard Müller an der
Königlichen Kunstakademie in Dresden. An der Berliner Kunstgewerbeschule wurde
er, mit Unterbrechungen, von 1912 bis 1917 von Emil Orlik unterrichtet. Im Jahr
1913 besuchte Grosz die Académie
Colarossi in Paris. Der Erste Weltkrieg traumatisierte den Künstler. Seine
Bilder entwickelten sich zu Spiegeln einer zutiefst pessimistischen Weltsicht.
Mit beißendem Spott karikierte Grosz den wilhelminischen Obrigkeitsstaat, die
menschliche Verrohung in der Großstadt, sexuell motivierte Gewalt und das
entwürdigende Dasein der Kriegsversehrten. Die schonungslosen Grafikserien des
Künstlers brachten ihm Anzeigen wegen Beleidigung der Reichswehr, Verbreitung
unzüchtiger Schriften und Gotteslästerung ein. Erst im Spätwerk ging der
anklagende Unterton von Grosz' Malerei langsam verloren.
Zunächst
wurde Grosz 1918 bis 1922 von dem Münchener Galeristen Hans Goltz vertreten.
Nachdem Illustrationen von Grosz bereits 1922 im Querschnitt erschienen
waren, nahm Alfred Flechtheim den Künstler 1923 in sein Galerieprogramm auf.
Grosz gestaltete 1925 vier Lithografien für den Verlag der Galerie: Verlobung
unterm Weihnachtsbaum, Grotesker Tanz, Zigeunermusik und Friedrichstraße.
Grosz wurde zeitweise von Flechtheim exklusiv vertreten. Das heißt Flechtheim unterstützte
Grosz finanziell und erhielt dafür Kunstwerke. Es entwickelte sich eine
freundschaftliche Verbindung und von Grosz sind zahlreiche Äußerungen über
Flechtheim überliefert, in denen er den Kunsthändler und sein Umfeld schildert
und charakterisiert. Grosz kolportierte, das Flechtheim die Mitgift seiner
Ehefrau - 140.000 Mark - in Bildern angelegt habe. Die Berliner Wohnung sei, so
Grosz, stets ein Ort altrheinischer Gastlichkeit gewesen und 1932 attestierte
er »Alf« eine »Berliner Schnauze« und konstatierte das inflationsbedingte Ende seiner Karriere. Mit der
Liquidierung der Berliner Galerie
hatte George Grosz Schulden bei Flechtheim, die der Liquidator der Galerie
einzutreiben versuchte. Kurz vor der Machtergreifung im Januar 1933 wanderte
Grosz in die Vereinigten Staaten aus. Sein Atelier und seine Wohnräume, die er
zurücklies, wurden von den Nationalsozialisten durchsucht. Im Februar 1938
kamen in einer Auktion bei S.J. Mak van Waay in Amsterdam im Auftrag des Flechtheim Estate 24 Gemälde von George
Grosz unter dem Titel »Nachlass Alfred
Flechtheim« zur Versteigerung. 1938 wurden
Werke von George Grosz auf der Ausstellung »Entartete Kunst«
in München gezeigt. In den Vereinigten Staaten genoss Grosz hingegen hohes
Ansehen, und das Museum of Modern Art in New York widmete ihm 1941 eine
Retrospektive. Aus finanziellen Gründen arbeitete Grosz als Kunstprofessor und
leitete zeitweilig gemeinsam mit Maurice Sterne eine Malerschule. Grosz kehrte
1959, kurz vor seinem Tod, nach Westberlin zurück.
Beschreibung
Im Frühjahr 1927 hielt sich Grosz mit seiner Familie im Süden von Frankreich auf. In Cassis bei Marseille entstand das Gemälde eines „Jungen Mädchens“ (auch als „Junge Spanierin“ oder „Großstadtmädchen“ bekannt), welches dort mit seinen Eltern weilte. Das Bildnis zeigt die Halbfigur einer ernsten, in sich gekehrten Frau, die mit ihren Händen im Schoß gedankenverloren am Betrachter vorbeischaut. Anders als in seinen gesellschaftskritischen Bildern kennzeichnet dieses Werk eine zurückhaltende, zarte Farbgebung sowie einen traditionellen Bildaufbau.
Literatur
Günter Aust: Magischer Realismus in Deutschland 1920-1933, Wuppertal 1967.
Wieland Schmied, Neue Sachlichkeit und Magischer Realismus in Deutschland 1918-1918, Hannover 1974, S. 277, Abb. Nr. 190.
Wem gehört die Welt? Kunst und Gesellschaft in der Weimarer Republik, hrsg. von Staatliche Kunsthalle Berlin, Berlin 1977.
Evelyn Weiss: Katalog der Gemälde des 20. Jahrhunderts, die ältere Generation bis 1915 im Wallraf-Richartz-Museum – mit Teilen der Sammlung Ludwig - und im Kunstgewerbemuseum (Kataloge des Wallraf-Richartz-Museums, Band VII), 1979, S. 77, Abb. 121.
Gerhard Kolberg (Bearb.): Evelyn Weiss (Bearb.): Museum Ludwig Köln. Gemälde, Skulpturen, Enviroments vom Expressionismus bis zur Gegenwart, München 1986.
Christa Murken, Klaus Weschenfelder und Brigitte Schad (Hg.): Kinder des 20. Jahrhunderts. Malerei, Skulptur, Fotografie, Köln 2000., S. 14, 185, Abb. S. 99.
Julia Friedrich (Hg.): Meisterwerke der Moderne. Die Sammlung Haubrich im Museum Ludwig, Köln 2012, S. 80f., Abb. S. 83.
Grosz, George: Junge Spanierin/Junges Mädchen/Großstadtmädchen,
in: Kulturelles Erbe Köln