Titel: Leuchtturm mit rotierenden Strahlen
Datierung: 1913
Format: 49 cm x 45,50 cm
Gattung: Malerei
Erwerbungsjahr: 1949
Verbleib: Kunstmuseum Bonn
Technik: Öl auf Leinwand
Museumsdirektor bei Erwerb: Walter Holzhausen
Alfred Flechtheim und Paul Adolf Seehaus
Paul Adolf Seehaus gehörte zu den Künstlern des Rheinischen Expressionismus. 1913 nahm er an der von seinem Freund August Macke vorbereiteten Ausstellung Rheinischer Expressionisten in Bonn teil. Nachdem im Werk von Seehaus bis 1912 noch Einflüsse des Fauvismus dominierten, nahmen seine späteren Gemälde in einer oft abgedunkelten Farbigkeit und entschiedenen Tektonik Anregungen des Kubismus und Futurismus auf. In den wenigen Jahren seines Schaffens hat sich Paul Adolf Seehaus vor allem mit dem Thema der Landschaft auseinandergesetzt. Er fand seine Motive in der rheinischen Umgebung, aber auch in den einsamen Naturräumen Englands und Irlands. Seine tiefe Verbundenheit mit der Natur wurde dabei durchdrungen von einer gleichzeitigen Faszination für die Errungenschaften moderner Technik. So fügen sich Natur-, Architektur- und Industrieansichten auf eigenständige Weise zu dynamischen, visionären und poetischen Bildern zusammen.
Eines der bekanntesten Bilder von Seehaus ist der Leuchtturm mit rotierenden Strahlen. Das Gemälde entstand 1913 und wurde vom Künstler im selben Jahr für 100 Mark verkauft. Ob Alfred Flechtheim der Käufer und erste Eigentümer des Bildes war, kann nur vermutet werden. Im Jahr darauf zeigte Flechtheim dieses und andere Gemälde von Seehaus in der Ausstellung mit dem Titel Paul Baum, Walter Ophey, Rheinische Expressionisten in seiner Düsseldorfer Galerie. Spätestens seit diesem Zeitpunkt arbeiteten Künstler und Galerist zusammen, ohne dass es jedoch zu einer engeren Geschäftsbeziehung kam, denn. Seehaus starb bereits 1919. Flechtheim integrierte Werke von Seehaus nach dessen Tod noch in vier weiteren Ausstellungen in den Jahren 1919, 1927 und 1929 in seinen Galerien in Düsseldorf und Berlin. Auch wenn Flechtheim Seehaus keine monografische Ausstellung ausrichtete, schätzte er offenbar sein Werk, zum Beispiel wird der Leuchtturm mit rotierenden Stahlen mehrfach als Teil der Sammlung des Kunsthändlers erwähnt und befand sich offenbar eine Zeit lang in seiner Berliner Wohnung.
Im September 2009 hatten die Erben des jüdischen Kunstsammlers und Galeristen Alfred Flechtheim (1878-1937) das Kunstmuseum Bonn um die Restitution des 1913 entstandenen Gemäldes Leuchtturm mit rotierenden Strahlen von Paul Adolf Seehaus (1891-1918) ersucht. Daraufhin hatte das Kunstmuseum Bonn durch eigene Nachforschungen und durch die Beauftragung von zwei Gutachten die Ansprüche der Erben geprüft. 2012 haben die Stadt Bonn und die Erben Flechtheims eine „faire und gerechte Lösung“ im Sinne der „Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände“ von 1999 und der ihr folgenden „Handreichung“ gesucht. Die gütliche Einigung sieht vor, dass das Kunstmuseum Bonn den Erben ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Ausschluss weiterer Ansprüche die Hälfte des geschätzten Marktwertes des Gemäldes als Entschädigung zahlt.
Literatur
Paul Ortwin Rave: Paul Adolf Seehaus, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch II (1925), S. 181-212 .
Paul Ortwin Rave: Paul Adolf Seehaus. Briefe und Aufzeichnungen, Bonn 1930.
K.F. Ertel, Paul Adolf Seehaus, Recklinghausen 1968
Joachim Heusinger von Waldegg, Paul Adolf Seehaus, in: Die Rheinischen Expressionisten. August Macke und seine Malerfreunde, Ausst.-Kat. Städtisches Kunstmuseum Bonn u.a. 1979, Recklinghausen 1979,S. 359-380, hier S. 365
Peter Dering, Paul Adolf Seehaus (1891-1919). Leben und Werk, Bonn 2004, S. 61-68.
Andreas Gabelmann, Paul Adolf Seehaus – Rhythmiker der Natur, in: August Macke und die Rheinischen Expressionisten. Werke aus dem Kunstmuseum Bonn und anderen Sammlungen, Ausst.-Kat. Brücke-Museum Berlin u.a. 2002/2003, München 2002, S. 297-304, hier S. 300-301.