Titel: Zwei Trauernde
Datierung: 1922
Format: 50,50 cm x 37,20 cm
Gattung: Grafik
Erwerbungsjahr: 1930
Verbleib: Hamburger Kunsthalle
Technik: Kohle
Museumsdirektor bei Erwerb: Gustav Pauli
Alfred Flechtheim und Ernst Barlach
Der Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller Ernst Barlach galt von Beginn an als ein Einzelgänger des Expressionismus. Dennoch feierte der Künstler bereits in der Weimarer Republik größte Erfolge mit seinen von seelischem Leid und Leben durchdrungenen Holzskulpturen. Nach seiner Russlandreise 1906 löste sich Barlach endgültig vom akademischen Kanon. Das Landschaftserlebnis sowie die Begegnung mit russischen Bauern und Bettlern inspirierten ihn zu einer klaren, kubischen Formensprache. Er entwickelte einfache, erdverbundene Figuren, denen er abstrahierte Gewänder und schlichte Gebärden verlieh. Die zurückgenommene Haltung als eindringlicher Ausdruck existentieller Verinnerlichung zeichnen auch Barlachs öffentliche Mahnmale gegen den Krieg aus. Die monumentalen Arbeiten, die bereits in der Weimarer Republik heftige Proteste hervorriefen, wurden von den Nationalsozialisten entfernt und größtenteils zerstört. 1937 fielen der Aktion Entartete Kunst mehr als 400 Werke von Ernst Barlach zum Opfer, die in deutschen Museen entfernt wurden.
Flechtheim stellte Barlachs Skulpturen und Grafiken bereits seit der Gründung seiner Düsseldorfer Galerie im Jahr 1913 regelmäßig aus. Nachdem sich Barlachs Kunsthändler Paul Cassirer 1926 das Leben genommen hatte, übernahm er zudem die kunsthändlerische Vertretung des Bildhauers. Flechtheim gab nicht nur die Bürgschaft für Barlachs neues Atelierhaus im mecklenburgischen Güstrow, er regte ihn auch zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Material Bronze an. 1930 vereinbarte er mit dem Künstler ein erstmaliges Gussprogramm von zwanzig Werken nach Modellen, die seit 1907 entstanden waren. Noch im selben Jahr wurden die Arbeiten im Rahmen einer erfolgreichen Einzel- und Verkaufsausstellung sowohl in Berlin, als auch in Düsseldorf gezeigt. Eine ab 1931 geplante Erweiterung des Gussprogramms scheiterte jedoch an der Liquidierung der Berliner Galerie, der Emigration Flechtheims 1933 sowie an Barlachs sich umkehrender Reputation und seiner zunehmenden Diffamierung durch die Nationalsozialisten als »entarteter« Künstler.
Beschreibung
In kräftigen Strichen skizziert Barlach zwei nach links gewandte, eng nebeneinander gehende Menschen gehüllt in lange Gewänder mit auf ihren Rücken fallenden Kopftüchern. Die hintere Figur legt ihre linke Hand auf die linke Schulter der im Vordergrund laufenden Frau. Beide halten außerdem ihre Hände, die hintere reicht ihre Rechte und die vordere ihre Linke, vor ihren Körpern. Beide gehen harmonisch im Gleichschritt, was durch die eng zusammengestellten Körper zwangsläufig vorgegeben ist.
Literatur
Ernst Barlach, Ausst.-Kat. Galerie Rudolf Hoffmann / Oktober, November 1948, Hamburg 1948, Nr. 67.
Ernst Barlach. Sculpture and drawings, Ausst.-Kat. Art Council London, London 1961, Nr. 77.
Works by Ernst Barlach (Wanderausstellung), Ausst.-Kat. Smithsonian Institution, New York 1962/63, Nr. 80.
Friedrich Schult: Ernst Barlach. Werkkatalog der Zeichnungen, hrsg. mit Unterstützung der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin, DDR, Bd. 3, Hamburg 1971, S. 192, Nr. 1552, Abb. S. 192.
Anita Beloubek-Hammer: Ernst Barlach. Zeichnerische und graphische Meisterwerke, Leipzig 1997, Abb. S. 95.
Quellen:
Historisches Archiv Hamburger Kunsthalle: Slg 2 Ankäufe 1930-1936; Slg 3 Ankäufe von Plastiken, Gips ... 1921-1931, 361